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Über Schönheit

  • rbr0303
  • 13. Okt.
  • 2 Min. Lesezeit
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Über Schönheit


Ich schreibe über Schönheit, weil mir der Sinn danach steht. Ich will keine 5.000 Jahre Geistesgeschichte überholen und vor allem keine wissenschaftliche Abhandlung über Ästhetik formulieren; ich schreibe vor dem Hintergrund, dass ich mich keines besonders edlen Geschmackes zu rühmen würdig fände. Wer mich kennt, würde mir uneingeschränkt zustimmen; das mag ich mit der ein oder anderen Geistesgröße gemein haben.


Wenn man von Schmetterlingen absieht, geraten Insekten selten in die Verlegenheit, als schöne Objekte wahrgenommen zu werden; ist es die kunstvolle Inszenierung des Fotografen, die die Schönheit mancher Exemplare offenbart oder ist das kunstvolle Abbild das Schöne, das, was mich und andere bewegt, sodass wir uns über unsere Empfindungen austauschen können?


Wörter erfinden wir, um uns über Dinge, Gedanken, Gefühle oder Phänomene unterhalten zu können und um uns weniger allein zu fühlen. Man kann ein Wort nicht ohne andere denken oder eher ohne das, was die Worte in uns evozieren, ohne die Vorstellungen und Gefühle, die sie in uns wecken. Nach diesem Kriterium überbietet vielleicht nur der Zauber der Liebe den Zauber der Schönheit, denn der Schönheit wohnt die Vergänglichkeit inne; die Hoffnung, dass die Liebe ewig währt, hält sich wackerer und hartnäckiger in uns.


Es schwingt immer das andere mit, wenn wir an etwas Schönes denken, wenn wir einem Kunstwerk, einem Menschen, einem Gedanken, einem Gefühl Schönheit attestieren; wir eignen uns das Objekt zuerst in unserer Vorstellung an, damit wir dessen Schönheit gebührend würdigen können. Manchmal wird die Aneignung - und sei es auch nur die geistige - übergriffig und zerstört den heiligen Wert in uns, noch ehe das Schöne vergeht.


Was geschieht in uns, was geschieht mit unserer Seele, wenn wir uns mit schönen Gegenständen umgeben, schöne Musik hören, ein schönes Gedicht lesen? Erhebt es uns oder hebt es nur unseren Hochmut, bis zum zum schlecht riechenden Dünkel? Und wenn wir dem Schönen in unserem Leben keinen oder nicht genügend Raum geben, verrohen wir? Oder balsamiert das Schöne und die damit einhergehenden positiven Gefühle die dunklen, ausgetrockneten Wände unserer Seele, auf dass sie geschmeidig wird, für und uns und unsere Mitmenschen wieder strahlt?


Was geschieht mit unserem Innenleben, wenn wir uns mit anderen über schöne Objekte, schöne Menschen, über ein schönes Kunstwerk unterhalten, wir feststellen, dass wir einer Meinung sind, dass Gemeinschaft entsteht; sind wir dann geneigt, das Schöne zu beschreiben, Kriterien für das Schöne aufzustellen oder übernehmen wir die Meinung des anerkannten Ästheten unter uns, weil wir unserem eigenen Urteil nicht trauen, unserem Geschmack nicht vertrauen? Entwickelt sich unser Geschmack, indem wir das Schöne immer wieder genießen oder unter dem Einfluss der Ästhetin? Oder zukünftig, indem wir die Produkte der künstlichen Intelligenz konsumieren?


Die durchschnittlich aussehenden Menschen sind die schönsten, aber nur für kurze Zeit. Die digital erschaffenen Bilder versprechen Ewigkeit. Der digitale Code der KI-generierten Schönheit ist neutral, weder schön noch hässlich. Nur der ist für die Ewigkeit, aber nichts wert ohne Interpreten.

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