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Kopflos ins Verderben

  • rbr0303
  • 14. Mai
  • 2 Min. Lesezeit

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Kopflos ins Verderben


Wie man auf dem Foto erkennen kann, fehlt der verwitternden Skulptur der Kopf. Ohne Kopf entsteht kein Bewusstsein. Die Entwicklungen in der künstlichen Intelligenzforschung und die daraus abgeleiteten Prognosen bringen diesen Gedanken ins Wanken.


Die Skulptur steht in einem kleinen Park und ist überzogenen mit Flechten und Pflanzen, vielleicht Algen, ich vermute, sie ist aus Stein. Sie ist nicht allein. Ich weiß nicht, welchen Hintergrund die Skulpturen in dem Park haben, wen oder was sie darstellen, wer sie da hingestellt hat und warum gerade dort, kein Wissen schränkt meine Phantasie ein, ich kann die Figur und die anderen, die in großem Abstand sich beinahe vor mir verbergen, unmittelbar auf mich wirken lassen. Sie hätte einen schönen Ausblick, den schönsten von allen.


Die Skulpturen ohne Kopf sind leblos. Der Stein zerbröselt, vielleicht über Jahrhunderte hinweg, dem Verderben entgegen, ohne Gegenwehr. Lebewesen wehren sich gegen den Verfall, erhalten ihren Körper, Strukturen und Ordnung aufrecht, erneuern sich, so lange sie leben. Die Steinskulpturen werden noch viele Menschenleben, vielleicht alle organischen Lebewesen, vor allem ihren Schöpfer überdauern, hat eine Frau während des Schaffensaktes Modell gestanden? Die Menschheit mag die Steinskulpturen überleben, vielleicht.


Der kleine Park wird von der Stadt gepflegt, das Gras teilweise gemäht, die Büsche und Bäume geschnitten. Bänke, auf denen fast nie jemand sitzt, laden zum Verweilen und Tagträumen ein, Tagträumer hauchen den Steinskulpturen Leben ein, obwohl das gar keinen Sinn macht. Neben der Frau sitzt ein Mann, zu ihren Füßen, hätte er einen Kopf, sähe man, dass er schmachtet, die Frau anbetet.


„Aber für meine Gefühle und Ideen hat die gewöhnliche Sprache, das fühl‘ ich, gar keine Worte, ich müsste eine Art von Gedicht schreiben, um Dich etwas näher in meine Atmosphäre zu ziehen, so wie vielleicht alles recht Gute und Verständige immer Gedicht sein müsste, weil das, was den Menschen ganz befriedigen soll, Gefühl und seinen Verstand zugleich ausfüllen muss. Reine Sätze der Vernunft … lassen die größere Hälfte im Menschen leer, und noch niemand ist auf diese Weise geändert oder gebessert worden.“ (L. Tieck)


„Wie ein veraltetes Kleid legen wir den Körper ab, Blumen, Gräser, und Insekten nähren sich von unserem Stoff, so wie wir von der Pflanzennatur unser Dasein erbetteln, aber der Geist schwingt sich aufwärts, und sieht mit Ruhe auf die Verwesung seines Körpers hinab.“ (L. Tieck)

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