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Kloster Wiblingen - Die Bibliothek

  • rbr0303
  • 6. Aug.
  • 2 Min. Lesezeit
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Kloster Wiblingen - Die Bibliothek


Die Basilika des Klosters Wiblingen steht nebenan. Das Hauptgebäude des ehemaligen Klosters Wiblingen bei Ulm beherbergt heute Teile des Universitätsklinikums. Im zweiten Obergeschoss ist ein Klostermuseum untergebracht, das über einen langen Gang in den Bibliothekssaal der früheren Benediktinerabtei führt. Ich stelle mir vor, dass der Saal im 18. Jahrhundert (vollendet 1744 - Fotos aus der Zeit gibt es verständlicherweise nicht), als ihn studierende Mönche und Gelehrte nutzten, genauso oder ziemlich ähnlich ausgesehen hat.


Waren der prächtig gestaltete Saal mit den zahlreichen Skulpturen und dem beeindruckenden Deckengemälde oder die Bücher wertvoller? Viele davon waren und sind handgeschrieben und mit aufwendigen Zeichnungen, Ornamenten und Bildern ausgestaltet. Es dürfte mehr Aufwand in die Erstellung der Bücher geflossen sein als in den Innenausbau des prunkvollen Rokokosaals. Vor diesem Hintergrund erscheint es fast angemessen, für die Bücher eine Kathedrale zu errichten.


Im Zuge der Napoleonischen Kriege verloren weltliche Könige und Fürsten im deutschen Reichsbund linksrheinische Besitztümer an Frankreich, die mit Gütern in kirchlichem Besitz im deutschen Reichsbund „abgefunden“ wurden. Siehe dazu unten ein Zitat aus Wikipedia:


„Der Reichsdeputationshauptschluss (genauer: Hauptschluss der außerordentlichen Reichsdeputation) wurde am 25. Februar 1803 im Alten Rathaus von Regensburg gefasst. Der Beschluss war die Grundlage für das letzte bedeutende Gesetz, das während der Zeit des Heiligen Römischen Reiches beschlossen wurde.

… Mit dem Reichsdeputationshauptschluss wurde festgesetzt, dass die weltlichen Fürsten für ihre linksrheinischen Gebietsverluste an Frankreich abgefunden werden sollten. Die Abfindungen sollten geschehen durch die Säkularisation kirchlicher Herrschaftsgebiete und durch Mediatisierung von kleineren weltlichen Herrschaften der bisherigen Reichsstände rechts des Rheins. Als Folge der Mediatisierung wurden insgesamt 2 Kurfürstentümer, 9 Hochstifte, 44 Reichsabteien und 45 Reichsstädte aufgelöst. Das hatte zur Folge, dass 45.000 km² Ländereien und fast 5 Millionen Menschen neue Landesherren erhielten.“


So fiel das Kloster Wiblingen mitsamt seinen Besitzungen 1806 endgültig dem damaligen König von Württemberg in die Hände. Die Bestände der Bibliothek wurde teilweise verkauft und versteigert. Das zog sich bis ins Jahr 1823 hin. Werke aus Wiblingen befinden sich hauptsächlich in der Hofbibliothek Stuttgart aber auch verteilt in halb Europa darunter in Cambrigde und in Den Haag.


Wie mag ein Gelehrter in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf das ausladende, verspielte, prunkvolle Ambiente des Saals reagiert haben? Auf einer Informationstafel der Bibliothek las ich, wie einige Gelehrte den Bibliotheksbestand einschätzten, die Meinungen gingen auseinander. Äußerungen über den Saal habe ich nicht in Erinnerung.


Eine der Skulpturen stellt Justitia dar. Recht war neben Philosophie und Theologie seit der Gründung von Universitäten ein wichtiges Studiengebiet. 15.000 Bücher soll der Bestand in seiner Blütezeit umfasst haben. Der Saal wirkt wie eine Echokammer, in der das leiseste Flüstern jedes Ohr im Saal erreicht, entsprechend still dürfte man dort gelesen und geschrieben haben.


Die Halbwertszeit von Büchern ist mit der der digital gespeicherten Informationen nicht zu vergleichen, so schnell digital gespeicherte Texte, Bilder und Videos entstehen, so schnell vergehen sie. Die meisten funktionalen Bibliotheken aus dem 20. und 21. Jahrhundert glänzen eher mit den Beständen als mit äußeren und inneren Werten.


Kommende Generation werden zumindest auf dem Wissen in Büchern aufsetzen können, wenn die Bibliotheksgebäude künftigen Barbareien standhalten und die Bücher nicht als billiges Brennmaterial benötigt werden. Heute wirkt der Bibliothekssaal in Wiblingen wie eine Wertschätzung des gedruckten und geschriebenen Wortes auf mich aller legitimen Kritik am Prunk vergangener klerikaler Zeiten zum Trotz.

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